Angehörige – Familie & Freunde

„Meiner Freundin ist genau das passiert, was Du hier beschreibst. Sie ist seitdem nicht mehr sie selbst. Was kann ich tun?“

Wenn Du mitbekommst, dass Deine Freundin, Tochter, Schwester, Mutter, Cousine, Bruder, Vater…mit einer Situation nicht zurechtkommt, ist Deine Hilfe gefordert. 

Sie ist in einer Ausnahmesituation, einer Krise, die sie nicht bewältigen kann. Sie zieht sich zurück, ist in sich gekehrt, rastet hin und wieder kurz aus, weint, hat zu nichts mehr Lust. Das können Anzeichen einer akuten Belastungsreaktion sein. 

Was genau ist eine akute Belastungsreaktion (ABR)?

Eine ABR ist die Reaktion der Psyche auf ein außergewöhnliches und belastendes Ereignis. Die Psyche ist in diesem Moment nicht in der Lage Bewältigungsstrategien zu entwickeln, wodurch die Verarbeitungsmechanismen nicht anspringen. Warum bei dem gleichen Ereignis bei einem eine ABR auftritt und bei einem anderen nicht, soll hier nicht Thema sein. Wenn 2 Menschen vom Gerüst springen, sich aber nur einer ein Bein bricht, halten wir uns auch nicht mit dem Warum auf, sondern behandeln den Verletzten. 

Symptome bei einer akuten Belastungsreaktion (psychischer Schock):

  • Eintritt nach wenigen Minuten des Ereignisses
  • wechselnde Symptomatik
  • Desorientierung, Flucht (besonders bei Unfällen gefährlich; laufen auf die Fahrbahn)
  • Unruhe
  • Wut, Aggression
  • Gefühl der Betäubung
  • psychovegetative Symptome wie Zittern, Übelkeit, Schwitzen, Herzrasen
  • Panikattacken
  • Das Gefühl alles wie durch eine Kamera zu erleben
  • Vollführen unangebrachter oder sinnloser Handlungen
  • sozialer Rückzug
  • Erinnerungslücken

„Was kann ich tun?“

Dir Zeit für sie nehmen. Höre ihr zu. Unternimm was mit ihr. Lass Dich von gemeinsamen Freunden unterstützen. Zeigt Ihr Euer Mitgefühl und lasst sie dennoch am Leben teilnehmen. Wenn sie nicht mit ins Restaurant will, fahrt zu ihr und kocht bei ihr. Gebt ihr aber auch die Möglichkeit allein zu sein. 

Als Angehöriger hast Du einen Balanceakt zu bewältigen, zwischen herausfordern und überfordern: 
Lass sie auch mal allein sein, aber nicht zu oft. 
Lass sie über ihre Situation reden, aber nicht nur noch.
Lenk sie ab, aber nicht so weit, dass sie ihre Situation verdrängt und später rausbricht. 

Du merkst schon, das ist keine einfache Aufgabe für Dich. Sprich sie auch direkt drauf an. Frag sie, was ihr gut tut, was nicht. Auch im Anschluss „Was hat Dir gutgetan?“. Dabei kann dann so was rauskommen wie „Schön, dass Du hier gekocht hast, aber nächstes mal besser nicht noch mit 4 anderen, sondern nur wir beide. Das ist mir zu viel.“

Wenn sie auf Verabredungen keine Lust hat, frag sie, was mit ihr passieren würde, wenn sie dennoch die Verabredung annehmen würde. (meist ist es nur „ich hab einfach nur keine Lust“ – es entsteht ihr kein Nachteil). Und wenn kein gesundheitlicher Schaden zu erwarten ist, dann „muss“ sie mit. 

Ihre Gedanken dürfen sich nicht dauerhaft um ihre „schlimme Situation“ kreisen. Diese Nervenbahnen werden sonst stärker und stärker.
Je nach Auslöser kann es auch langfristige Folgen haben. Die ABR geht in eine posttraumatische Belastungsstörung über. 

Beobachte sie also genau. Bist Du Dir unsicher, frage beim Krisendienst, was Du tun kannst. Oder kontaktiere Psychologen oder Berater (wie mich).

Wichtig: 
Rufe sie an, statt per whats app zu fragen wie es ihr geht. Telefonisch hörst Du auch an ihrer Stimme, wie es ihr geht. Geh spontan vorbei, auch wenn nur für 10 Minuten. Diese Fürsorge kann so viel mehr für sie bedeuten, als Du Dir denken magst.

Ich hatte plötzlich täglich 4-5 Anrufe UND die whats app Nachrichten von Freunden und sogar Kollegen, Mitstudenten, die wissen wollten wie es mir geht, was ich mache. Und was ich machen will. 

Auch wichtig: „Was hast Du geplant, wie geht es für Dich weiter?“ Damit „zwingst“ Du sie darüber nachzudenken, dass sie den weiteren Ablauf in der Hand hat und wie sie damit umgehen will.

Auch die Verabschiedungen bei den Telefonaten mit „wir hören uns spätestens in 3 Tagen wieder. Ich will wissen, ob Du ok bist. Melde Dich, ich mach mir sonst Sorgen!“, waren Kraftgebend in der schweren Zeit.

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