Carpe Diem

Sobald uns, jemandem Nahestehenden oder sogar Fremden etwas schreckliches passiert, neigen wir dazu den Tag wieder bewusster zu leben.
Wir denken, dass wir fast alles kontrollieren, alles im Griff haben. Und ich will niemandem hier Angst machen, nur ist dieser Gedanke ein absoluter Trugschluss.
In diesem komplexen Konstrukt, in dem wir leben, haben wir verschwindend wenig, was wir kontrollieren können. 

Du bist froh einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu haben- die Firma geht pleite. Du hast eine schöne bezahlbare Wohnung – Dein Nachbar verursacht einen Wasserschaden, der nur noch den Abriss zulässt. Du freust Dich auf Deinen Wanderurlaub – es regnet täglich wie aus Eimern. Du hast Dir zur Sicherheit Geld angespart – ein paar wenige Köpfe entscheiden einen Minuszins. Du hast endlich einen tollen Job – der Chef verändert die Arbeitszeiten, die sich nicht mehr mit Deinem Familienleben vereinbaren. Oder wichtige Menschen in Deinem Leben sind nicht mehr da – weil sie nicht wollen, weil sie andere Pläne haben, weil ein Irrer sie vor den Zug stößt oder weil das Leben nun mal von Natur aus endlich ist. 


All das und noch vieles mehr haben wir nicht unter Kontrolle. Wenn ich das selbst jetzt so lese, ist das schon ne harte Nummer und am liebsten würde ich das ignorieren.

Aber eine Sache können wir wirklich kontrollieren:
Die englische Bezeichnung mit dem Ursprung des lateinischen gibt es viel deutlicher rüber als die deutsche Übersetzung. Responsability – die Fähigkeit auf etwas zu antworten, zu reagieren. Das heißt ja nicht gleich, dass ich alles toll finden muss, was schief läuft. Das wäre dann ja Gefühle kontrollieren oder besser, unterdrücken. Nein, lass die Gefühle zu und durchlebe sie. Es gibt aber zumindest die Kontrolle zu entscheiden, was ich nun mit dem Geschehenen mache. 


Wir brauchen Struktur, wir brauchen Pläne und zum Glück entwickelt sich auch vieles so wie wir uns das denken, was auch der Grund ist, dass wir glauben alles kontrollieren zu können. Umso mehr erschlägt es uns, wenn das nicht der Fall ist. 

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

Vor kurzem hab ich einen Text von mir von Anfang 2016 gefunden. Die Beziehung zu meiner Freundin entwickelte sich zu etwas immer festeren und wir hatten gerade eine wirklich schöne Zeit. Da bekam sie das Angebot evtl. 2 Jahre beruflich ins Ausland zu gehen, was sich mit meinem Lebensplan gar nicht vereinbaren ließ. Mir ging es zu dieser Zeit richtig gut. Trotz widriger Umstände war ich gelassen und entspannt. Ich schrieb darüber, dass ich in meinem Glück sah, dass dieses ganz schnell wieder vorbei sein kann. Und dass ich mir Sorgen machen kann, Angst vor dem Ende dieses Glücks haben kann. Oder dass ich das Glück einfach genieße, so lange es da ist, statt es mit Sorgen kaputtzumachen, obwohl ich ja gar nicht weiß, was passieren wird. Einfach vorbereitet sein, dass sich das ändern kann. In welche Richtung habe ich nicht alleine in der Hand. 

Ein Augenblinzeln und die Welt kann plötzlich ganz anders aussehen.
Es nützt leider nichts, nicht mehr zu Blinzeln – glaubt mir, ich habs versucht! 

Ich hoffe, ich hab Euch damit nicht runtergezogen. Das Gegenteil sollte der Fall sein: genießt die Zeit, macht Pläne, seid Euch bewusst, dass alles anders kommen kann, aber sorgt Euch nicht. Das vermiest Euch nur die schönen Zeiten.

Da auch ich „geblinzelt“ habe, den Schlag dadurch nicht kommen sah und meine Welt danach ganz anders aussah, entstand hier diese Seite.

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